Der Amazonas-Regenwald ist vom Zusammenbruch bedroht. Wenn nichts gegen die Abholzung unternommen wird, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die das einzigartige Ökosystem für immer verschwinden lässt und den Klimawandel weiter anheizt. Doch die Wahl von Lula da Silva zum Präsidenten Brasiliens gibt Hoffnung. Lula kündigte an, die Abholzung des Amazonasgebietes beenden zu wollen.
Von Marco Pühringer
Lula, ein Gewerkschafter und ehemaliger Präsident, gewann die Präsidentschaftswahlen mit 50,9 Prozent der Stimmen gegen den rechtsextremen Amtsinhaber Jair Bolsonaro. Dieser knappe Sieg könnte eine der wichtigsten politischen Entscheidungen unserer Zeit sein. Denn Brasilien beherbergt gut 60 Prozent des Amazonas-Regenwaldes. Das größte Waldgebiet der Erde beeinflusst das Klima auf der ganzen Welt, indem es CO2 bindet und Sauerstoff produziert.
Dieses Ökosystem steht am Rande eines unumkehrbaren Kipppunktes, dessen Erreichen das Weltklima für immer verändern würde. Bei einer Fortsetzung von Bolsonaros Umweltpolitik würde dieser Punkt zweifellos erreicht werden. Lula kündigte nun jedoch an, sich für ein Ende der Abholzung im Amazonasgebiet einzusetzen:
„Brasilien ist dazu bereit, seine Rolle im Kamf ggen die Klimakrise wieder aufzunehmen und alle Ökosysteme zu schützen, insbesondere den Amazonas. Unsere Regierung hat es einst geschafft, die Waldzerstörung um 80 Prozent zu reduzieren. Jetzt lasst uns alle gemeinsam für Null Entwaldung kämpfen.“
In nur einem Monat schrumpft die Amazonasregion um mehr als die doppelte Fläche von Wien
Das ist auch bitter nötig, denn der Amazonas ist in den letzten Jahren stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Als Lula 2003 in den Präsidentenpalast einzog, startete er ein ehrgeiziges Programm zur Rettung des Regenwaldes. Ihm und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff, die wie Lula der linken Arbeiterpartei Brasiliens angehört, gelang es, die Abholzung um 80 Prozent auf einen historischen Tiefstand zu senken. Doch als Bolsonaro 2019 an die Macht kam, vollzog Brasilien eine Kehrtwende in der Umweltpolitik.
Bolsonaro vergab bereitwillig Konzessionen, um Konzernen die Abholzung von Regenwald für den Soja- und Palmölanbau sowie für Viehzucht und Bergbau zu ermöglichen. Illegal gerodete Flächen wurden von Bolsonaro legalisiert, und Waldbrände wurden nur halbherzig bekämpft. Allein im September wüteten 40.000 Brände. Es waren die schwersten Waldbrände seit über 10 Jahren. Umweltorganisationen bezeichneten Bolsonaro als „Krebsgeschwür“, das beseitigt werden müsse.
Unter seiner Regierung nahm die Abholzung um 70 Prozent zu und erreichte im Oktober einen traurigen Rekord: 904 Quadratkilometer Regenwald wurden in nur einem Monat zerstört. In nur 30 Tagen wurde die doppelte Fläche von Wien und einmal die Fläche von Linz dem Erdboden gleichgemacht.
Zum ersten Mal stößt der Amazonas mehr Co2 aus, als er aufnehmen kann
Bolsonaros Politik hat weitreichende Folgen. Die Klimabilanz des Amazonasgebietes ist ins Gegenteil verkehrt worden: Zum ersten Mal stößt er mehr CO2 aus, als er absorbieren kann. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern des französischen Nationalen Instituts für Agrarforschung. Die Wissenschaftler werteten vor allem Satellitendaten aus, die die pflanzliche Biomasse im Regenwald und dessen Abholzung dokumentieren.
Das Ergebnis: Das Amazonasbecken gab etwa 16,6 Milliarden Tonnen CO2 an die Umwelt ab, nahm aber nur etwa 13,9 Tonnen auf. Diese 2,7 Milliarden Tonnen Differenz entsprechen in etwa dem Verbrauch Österreichs für 35 Jahre. Hält dieser Trend an, droht eine weitere massive Verschärfung des Klimawandels, weil das gesamte Ökosystem zusammenzubrechen droht.
Das ganze Ökosystem könnte kippen
Derzeit hat der Amazonas einen perfekt funktionierenden Wasserkreislauf: Regionen im Landesinneren haben eigentlich zu wenig Niederschlag für einen tropischen Regenwald. Doch die Bäume saugen das Grundwasser nach oben, es verdunstet und regnet sich über der riesigen Waldfläche wieder ab. Dieser Kreislauf könnte durch weitere Abholzung dauerhaft unterbrochen werden. Der Regenwald würde langsam absterben, sich in Savanne verwandeln und das Klima auf der ganzen Welt verändern.
Dieser Prozess würde so viel CO2 freisetzen, wie die gesamte Welt in sieben Jahren verbraucht. Das einzigartige Ökosystem, das 10 Prozent aller Arten beherbergt, wäre unwiederbringlich verloren. Und damit auch seine CO2-bindende Wirkung. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Kipppunkt bei einer Entwaldungsrate von 20 bis 25 Prozent erreicht wird. Derzeit liegen wir bei 18 Prozent.
Lula muss gegen konservative Parlamentsmehrheit kämpfen
Die Wahl Lulas und sein Versprechen, der Abholzung des Regenwaldes ein Ende zu setzen, kommen also keinen Moment zu früh. Der neu gewählte Präsident hat schon einmal bewiesen, dass er weiß, wie man den Regenwald schützt, obwohl er ein immenser Wirtschaftsfaktor für Brasilien ist. Eine Studie bestätigt nun, dass Lulas Pläne tatsächlich das Potenzial haben, die Abholzung im Amazonasgebiet um 89 Prozent zu reduzieren. Leicht wird es Lula jedenfalls nicht haben: Der linke Präsident sieht sich weiterhin einer konservativen Mehrheit im Parlament gegenüber.
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Bild: Ein Ara im Regenwald
Autor: HANSUAN ALBERTO FABREGAS
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