StartUSADie Talibanisierung und Barbarisierung der USA

Die Talibanisierung und Barbarisierung der USA

Abtreibungsverbote und Waffentragen als Grundrecht. Das sind in den USA zwei heiße Themen, an denen sich die Geister scheiden. Sie sind symptomatisch für andere Spaltpilze, die im Land gedeihen und es früher oder später zugrunde richten werden.

Von Wilfried Kahrs

  1. Verschärftes Abtreibungsgesetz

Der Oberste Gerichtshof hat in den letzten Tagen zwei tiefgreifende Urteile gefällt. Sie leisten der gesellschaftlichen Spaltung des Landes massiv Vorschub. Zuerst ein Kommentar von ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen zum Abtreibungsurteil:

„Für einige erzkonservative Republikaner ist das Abtreibungsurteil nur der Anfang. Sie unterscheidet damit nicht mehr viel von den Ideologen der Taliban.“

Selbst Präsident Biden äußerte sich bestürzt über dieses fatale Urteil:

„Das ist ein extremer und gefährlicher Pfad, auf den der Oberste Gerichtshof uns da führt.“ Der ehemalige Präsident Trump feierte die Entscheidung als Triumph Gottes: „Gott hat das entschieden“, sagte der 76-Jährige am Freitag im Sender Fox News auf die Frage, ob er mit der Ernennung von drei konservativen Richtern selbst die Grundlage für die Entscheidung gelegt habe.

Nach wie vor existiert in den diversen US-Staaten eine unterschiedliche Handhabung des Abtreibungsrechtes. Aber das neue bahnbrechende Urteil macht den Weg frei zu einem reaktionären Trend, denn die neue gesetzliche Regelung des Supreme Court bereitet einen tiefen Eingriff des Staates in die Privat- und Intimsphäre der Menschen vor. Diese Entwicklung richtet sich diametral gegen die liberalen Strukturen der US-Verfassung. Sie spricht auch für eine frauenfeindliche Einstellung in weiten Bevölkerungskreisen.

Folgewirkungen der reaktionären Regelungen

Dieses Urteil zieht weite Kreise. Es hat fatale Auswirkungen und bildet nur den Anfang für den Block der Erzkonservativen, den Staat zu ideologisieren:

  • In einigen Bundesstaaten soll Abtreibung ab der Befruchtung unmöglich sein – die Pille danach, ja sogar einige Verhütungsmethoden könnte unter Strafe gestellt werden. Selbst nach Vergewaltigungen wären Schwangerschaftsabbrüche in weiten Teilen des Landes nicht mehr möglich. Politiker dort denken auch darüber nach, Einwohnerinnen ihres Bundesstaats zu bestrafen, wenn sie für eine Abtreibung beispielsweise nach Connecticut reisen.
  • Selbst Verheirateten könnte die Nutzung von Verhütungsmitteln verboten werden.
  • Offenbar wollen die Fundamentalisten gleichgeschlechtliche Beziehungen und gleichgeschlechtlichen Sex ächten, vielleicht sogar kriminalisieren.
  • Ein neu verabschiedetes Gesetz im US-Bundesstaat Florida verbietet es Lehrern, in Grundschulen über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu sprechen.
  • Das sogenannte „Don’t say gay“-Gesetz in Florida, das es verbietet, das Thema Homosexualität in unteren Schulklassen auch nur zu erwähnen, ist nur ein Vorbote für das, was kommen könnte.
  • Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ließ mehr als 40 Prozent der Textbücher an öffentlichen Schulen verbieten. Ihm und seinen Helfern missfielen Angaben zu sexuellen Orientierungen und Minderheitenrechte.
  • Eine breite gesellschaftliche und politische Debatte darüber, ob und ab wann das Selbstbestimmungsrecht einer Frau abgewogen werden muss gegen das Lebensrecht des noch ungeborenen Kindes, existiert nicht. Stattdessen Verleumdung: „Kindermörder“ auf der einen Seite, „mittelalterliche Frauen-Unterdrücker“ auf der anderen.

Die Wildwest-Mentalität im Zusammenhang mit den rassistischen Vorstellungen, dass Andersartige und Andersdenkende willkürlich als Menschen zweiter Klasse behandelt werden können, ist tief verwurzelt und nicht auszurotten.

Zurück zum Faustrecht und geistiger Knebelung

In der Tat bewegt sich die USA in geistiger und moralischer Hinsicht immer weiter zurück in mittelalterliche Verhältnisse. Die Gegner der Abtreibung sind ja identisch mit den christlichen Fundamentalisten aller Couleur. Die Spannweite reicht von Evangelikanern, reaktionären Katholiken, puritanischen Sektierern aller Arten, dem Ku-Klux-Clan bis zu den Rechtsradikalen aller Schattierungen wie den Ariern.

Die bibeltreuen Kreationisten wollen die Evolutionstheorie aus den Schulen verbannen. Statt wissenschaftlicher Erkenntnis wollen sie das Dogma einführen, dass Gott persönlich vor 6.000 Jahren die Welt und die Menschen in sechs Tagen erschaffen hat. Diese Konglomerat an Verirrten ist deckungsgleich mit Rassisten und Leugnern des Holocaust.

Zitat Theveßen:

Erzkonservative Republikaner, darunter vor allem christliche Fundamentalisten aus der evangelikalen und der katholischen Kirche, treten die Rechte der Frauen mit Füßen. Oft trieft aus ihren Worten Verachtung für alle jene, die das anders sehen. Was das mit christlichen Werten zu tun hat, ist mir schleierhaft. Es sind die gleichen Radikalen, für die das Abtreibungsurteil nur der Anfang ist.

Der oberste Bundesrichter Clarence Thomas hat daran in einer zusätzlichen Stellungnahme keinen Zweifel gelassen. Dieser Urteilsspruch des Supreme Court soll die Bahn frei machen für den tiefen Eingriff des Staates in die Privat- ja, die Intimsphäre der Menschen.“

2. Grundrecht zum Waffentragen

Der US-Bundesstaat New York hatte nach den Massakern der vergangenen Wochen das Waffenrecht verschärft. Das Oberste US-Gericht macht das nun rückgängig. Es spricht für den Präsidenten Biden, der mit dieser Aussage Vernunft bewies:

„Dieses Urteil widerspricht sowohl dem gesunden Menschenverstand als auch der Verfassung und sollte uns alle zutiefst beunruhigen.“

Es gibt viele Ursachen, die den Boden bereitet haben für die potenzielle Gewaltbereitschaft der Amerikaner und den Widerstand gegen Beschränkungen des Waffenrechtes.

Grundlagen des Rechtes auf Waffentragen

Auf Bundesebene regeln hauptsächlich drei Rechtsquellen das Waffenrecht: Der National Firearms Act von 1934, der Gun Control Act von 1968 und der Zweite Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von 1791.

Bidens Vorgänger Trump hatte für dieses Urteil (und auch das neue Abtreibungsgesetz) Vorschub geleistet, weil er drei liberale Richter am Supreme Court gegen konservative ausgetauscht hatte. Wenn man bedenkt, dass diese Richter das Recht besitzen, ihre Position bis ans Lebensende beizubehalten, dann schwindet die Hoffnung auf eine innnenpolitische Gesundung im gottesfürchtigen Amerika. Derartige Manipulationen der Justiz aufgrund von politischer Festlegung von obersten Richtern (auch in Deutschland gang und gäbe) haben mit echter Demokratie keinerlei Berührungspunkte mehr.

Folgen des Waffenmissbrauchs

Es gibt eine zwangsläufige Übereinstimmung bei den Befürwortern des Abtreibungsverbots und den Waffennarren. Es handelt sich um das gleiche Klientel. Die USA und ihre Bevölkerung beweisen einmal mehr, dass sie nicht in der Lage sind, aus schlimmen Erfahrungen zu lernen. Diese Aussage ist generell innen- als auch außenpolitisch zu treffen.

Die Talibanisierung und Barbarisierung der USADie USA sind im weltweiten Vergleich das Land mit der höchsten Kriminalitätsrate. Dazu verzeichnen sie den höchsten Drogenkonsum und den höchsten Anteil an Gefängnisinsassen. Auch bei den Suiziden und den Mordopfern gebührt ihnen weltweit die Führungsrolle. Da können sich noch so viele Massaker und Amokläufe ereignen, da können noch so viele einsichtsfähige Bürger auf die Straße gehen.

Es ändert sich trotzdem nichts. Einerseits ist die Lobby der NRA zu stark und andererseits gibt es unter den Bürgern zu viele verblendete Waffenfanatiker. Diese Leute träumen immer noch vom Wilden Westen, in dem man nach Lust und Laune die Waffe ziehen kann, um ungestraft töten zu können. Der Gedanke an das Recht auf Lynchjustiz ist auch noch sehr verbreitet. Gegen derartige Vernagelte mit Brettern vor dem Kopf nutzen weder gute Worte noch Argumente.

Hoffnungslose Spaltung der US-Gesellschaft

Wir können beobachten, dass die US-Gesellschaft hoffungslos gespalten ist in weltanschaulichen, religiösen, gesellschaftlichen und politischen Fragen. Die Gegensätze prallen unversöhnlich aufeinander. So besteht keinerlei Hoffnung, dass sich an dieser Misere mittel- und gar langfristig irgendetwas zum Besseren ändert. Auch die Spaltung zwischen den Ethnien und vor allem zwischen Arm und Reich ist gewaltig. Die sozialen Probleme belasten das Land enorm. Und die überproportionalen Ausgaben für Aufrüstung und das Militär nagen an der Substanz. Ein Zustand, der nicht mehr lange aufrecht erhalten werden kann. Die USA demontieren sich selbst, innen- wie außenpolitisch.

Kein Ende meines Kommentars ohne Preisfrage:

Wie kommt es dann dazu, dass trotz dieses innerpolitischen chaotischen Zustandes die USA nach wie vor von vielen Ländern der westlichen Welt als Vorbild und Anführer akzeptiert werden? Wann fällt endlich der Groschen, dass man auf das falsche Pferd gesetzt hat?

Zitat T-Online:

„Gut vier Wochen nach dem schlimmsten US-Schulmassaker seit einem Jahrzehnt hat das Oberste Gericht der USA das Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit als Grundrecht der Bürger eingestuft. Mit den Stimmen von sechs gegen drei Richtern annullierte der Supreme Court am Donnerstag eine Verschärfung des Waffenrechts im Bundesstaat New York. Während die Waffenlobbygruppe NRA ihren „Sieg“ feierte, reagierte US-Präsident Joe Biden „tief enttäuscht“.

Die Regelung im Bundesstaat New York, wonach für eine Waffenlizenz der Nachweis eines besonderen Bedarfs an Selbstverteidigung erforderlich ist, verletze zwei Zusatzartikel zur US-Verfassung, befand das Gericht.

Mehrere andere Bundesstaaten, darunter auch Kalifornien, haben ähnliche Gesetze. Die weitreichende Entscheidung des Obersten Gerichts wird ihre Möglichkeiten einschränken, Menschen vom Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit abzuhalten. Mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten erlaubt das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit.

„Dieses Urteil widerspricht sowohl dem gesunden Menschenverstand als auch der Verfassung und sollte uns alle zutiefst beunruhigen“, erklärte der Demokrat Biden.

Sein republikanischer Vorgänger Donald Trump hatte mit der Ernennung von drei konservativen Richtern die klare Mehrheit von sechs zu drei für die Konservativen am Supreme Court geschaffen.“

Auch die demokratische New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul sprach von einem „schwarzen Tag“. Die Gerichtsentscheidung sei „absolut schockierend“ und nehme den Bundesstaaten das Recht auf „vernünftige Beschränkungen“. Der New Yorker Bürgermeister Eric Adams sagte, dass dies „möglicherweise einen zusätzlichen Fluss eröffnet hat, der das Meer der Waffengewalt speist“.

Bild: Abgefeuerte Kurzwaffe
Autor: andychoinski 
Quelle: pixabay.com
Lizenz: public domain
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